Univ.-Prof. Mag. Hanns Holger RUTZ , Ph.D.

Hanns Holger Rutz

Akademischer Titel: Univ.-Prof. Mag.

Nachgestellte(r) Titel: Ph.D.

Tätigkeitsbereich: Universitätsprofessor für Artistic Research

Raum: 8. Mai Straße 47, 1. OG, Büro 03

E-Mail: hanns-holger.rutz@gmpu.ac.at

Wissenschaftliches Profil

Hanns Holger Rutz ist Künstler und Forscher an der Schnittfläche von Klangkunst, Computermusik, digitaler Kunst und Intermedia. Homepage: https://www.sciss.de

Werdegang

Rutz studierte Computermusik und Audio Engineering am Elektronischen Studio der Technischen Universität Berlin und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin. 2004–2009 arbeitete er als künstlerischer Mitarbeiter am Studio für elektroakustische Musik (SeaM) der Hochschule für Musik Franz Liszt und als Dozent an der Bauhaus-Universität Weimar. Er promovierte in Computermusik an der Universität Plymouth, Großbritannien, mit einer Arbeit über die Nachverfolgbarkeit computerbasierter kompositorischer Prozesse. 2013–2022 arbeitete er als Pre- und Post-doc am Institut für Elektronische Musik und Akustik (IEM) der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz. Seit 2023 ist er Professor für Artistic Research an der GMPU.

Künstlerisches Profil

Als elektronischer Improvisationsmusiker hat Rutz in verschiedenen Ensembles und Duos gearbeitet, vom Noise-Schaltkreis-Trio ChromaticField (ca. 2002–2004) über das elektro-akustische Quartett HMSS (ca. 2005–2011) bis zu den algorithmisch gekoppelten Duos Anemone Actiniaria (2014–) und Strip & Embellish (2022–).

Als Komponist elektronischer und elektroakustischer Musik verwendet Rutz’ Werk oft umfangreiche prozedurale Techniken, wie auf dem Album Residual (2002), das eigens entwickelte Signalverarbeitungsalgorithmen einsetzt, Leere Null 2 (2012), bei dem Algorithmen Klänge selektierten und schichteten, Grenzwerte (2015), das auf genetischer Programmierung basiert, oder das generative, kollaborative Radiokunstprojekt Mäanderungen (2018).

Klang und intermediale Kunst bilden den Kern von Rutz’ Aktivitäten. Die installativen Arbeiten sind oft ortsspezifisch und beziehen die Besonderheiten ihrer Umgebung mit ein, wie Zelle 148 (2006) für eine Gefängniszelle, Vice Versa (2007) für den ehemaligen Wasserspeicher in Berlin Prenzlauer Berg,

Amplifikation (2009) für das vormalige Straßenbahndepot in Weimar oder Mexikanischer Tumulus (2018) für den Grazer Ostbahnhof. Viele Arbeiten basieren auf Kollaborationen, darunter Imperfect Reconstruction (2016) mit einem weiteren Klangkünstler und einer Bühnenbildnerin, die Interventionsserie im öffentlichen Raum Chain Reaction (2016) mit der Künstlerinnengruppe Daily Rhythms Collective, schwärmen + vernetzen (2017) mit einer bildenden Künstlerin und einer Lyrikerin oder Durchlässige Segmente (2020), das von vier Klangkünstler*innen für das Stiegenhaus des Kunsthauses Graz entwickelt wurde. Die Stücke gehen oft über den Klangbereich hinaus und beziehen andere digitale und physische Medien mit ein, wie Configuration (2015) mit einem Videotriptychon, Licht und Geruch, Writing simultan (2020) mit Glastischen, Petrischalen, Graphit und Licht oder Swap Rogues (2022), einem Ensemble aus Mischwesen.

Rutz ist auch Autor verschiedener Computerprogramme für Klangtransformation und algorithmische Komposition, darunter die Open-Source-Software FScape (2002–), Wolkenpumpe (2005–) und Mellite (2010–).

Forschungsprofil

Unter dem Doppelbegriff Klang und Intermedia untersucht Rutz zeitgenössische künstlerische Praktiken, in denen Klang als ästhetisches und epistemisches Medium eine kritische Beziehung zu anderen analogen und digitalen Medien eingeht und dabei Schnittstellen zu technologischen und gesellschaftlichen Kontexten eröffnet. Es geht darum, Prozesse in den Vordergrund zu stellen, neue Begriffe zu finden und neuartige Fusionen heterogener Praktiken anzuvisieren. Als Bereich innerhalb der künstlerischen Forschung bezieht sich Klang und Intermedia auf die Wissensgenerierung und -transformation aus der Praxis „durch Klang“ und im interdisziplinären Diskurs. Zwei konkrete Szenarien helfen bei der Untersuchung von Prozessen: das Zusammenwirken von Menschen und Maschinen und das Zusammenwirken von Menschen mit Menschen, was zu Interessen an computergestützten und algorithmischen Experimenten sowie an kollaborativen Experimenten führt. Klang spielt hier aufgrund seiner Affinität zu Sprache, Stimme und Schrift sowie seiner räumlichen Möglichkeiten eine besondere Rolle.

Ausgewählte Forschungsprojekte

Simultane Ankünfte (simularr). Laufzeit: 2022–2025. Finanzierung: FWF Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK), AR 714-G. Website: https://www.simularr.net. Das Projekt postuliert einen neuartigen Ansatz für kollaborative künstlerische Prozesse, der auf Simultaneität und Räumlichkeit basiert. Diese werden als „elementare“ oder „grenzbildende“ Konzepte verstanden, die die zusammenarbeitenden Künstler*innen auf komplementäre Weise leiten, die Vielfalt und Individualität der Gruppe bewahren und gleichzeitig den Prozess als Ganzes verbinden und die Lücken zwischen verschiedenen Praktiken überbrücken. Das Projekt entwickelt Methoden, die Kontakte zwischen parallelen künstlerischen Prozessen herstellen und verstehen helfen, wie diese Konzepte sie beeinflussen. Was sind Bezugsrahmen, die es ermöglichen, ein „Miteinander zur gleichen Zeit“ zu etablieren, und wie interagieren und überlagern sich verschiedene Raumkategorien – Denkräume, ästhetische Räume, architektonische Räume – und die entsprechenden Formen der Räumlichkeit?

Algorithms that Matter (Almat). Laufzeit: 2017-2021. Finanzierung: FWF Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK), AR 403-GBL. Website: http://almat.iem.at. Einen zeitgenössischen Wandel in algorithmischer Kultur und algorithmischen Ansätzen in Klangkunst und Computermusik im Vergleich zu historischen Vorläufern registrierend, flankiert von der zunehmenden Ausbreitung von Algorithmen im Alltag sowie neuen Positionen zu algorithmischem Denken (z.B. Luciana Parisi) und neuen Diskursen zur materiellen Kultur (Neuer Materialismus), versuchte das Projekt, einen Begriff und ein Repertoire algorithmischen Experimentierens zu entwickeln, in welchen Code und komputationale Strategien zu Handlungsträgern werden, die gemeinsam mit den Künstlerinnen und Forscherinnen die Grenzen zwischen künstlerischer „Apparatur“ und den durch diese produzierten Objekte mitbestimmen. Das Projekt untersuchte die Rückwirkung dieser Wirkmächtigkeit auf unsere Vorstellung und Praxis von Komposition und Performance.

Bibliographie

Via ORCID https://orcid.org/0000-0003-4554-3570

Hanns Holger Rutz is an artist and researcher at the intersection of sound art, computer music, digital art and intermedia.

Homepage: https://www.sciss.de

Education and Working Experience

Rutz studied computer music and audio engineering at the Electronic Studio of the Technical University of Berlin, and communication science at Free University of Berlin. 2004–2009, he worked as assistant professor at the Studio for electroacoustic Music (SeaM) at the Liszt School of Music, and as lecturer at Bauhaus University, Weimar. He completed a PhD in computer music at Plymouth University, UK, with a thesis on the traceability of computer-based compositional processes. 2013–2022, he worked as pre- and post-doc researcher at the Institute of Electronic Music and Acoustics (IEM) of the University of Music and Performing Arts Graz. Since 2023, he is Professor for Artistic Research at GMPU.

Artistic Profile

As electronic improviser, Rutz has been working in various ensembles and duos, ranging from noise circuit trio ChromaticField (c. 2002–2004) to electro-acoustic quartet HMSS (c. 2005–2011) to algorithmically-coupled duos Anemone Actiniaria (2014–) and Strip & Embellish (2022–)

As composer of electronic and electroacoustic music, Rutz’ work often employs extensive procedural techniques, such as the album Residual (2002) that uses custom signal processing algorithms, Leere Null 2 (2012) where algorithms selected and layered sounds, Grenzwerte (2015) based on genetic programming, or the generative, collaborative radio art work Mäanderungen (2018). Sound and intermedia art form the core of Rutz’ activities. The installation works are often site-specific and incorporate the particularities of their environment, such as Zelle 148 (2006) for a prison cell, Vice Versa (2007) for the former water reservoir in Berlin Prenzlauer Berg, Amplifikation (2009) for the former tram depot of Weimar, or Mexican Tumulus (2018) for the Ostbahnhof train station in Graz. Many works are based on collaboration, including Imperfect Reconstruction (2016) with an additional sound artist and a stage designer, public space interventions Chain Reaction (2016) with artist group Daily Rhythms Collective, swarming + networking (2017) with a visual artist and a lyricist, or Through Segments (2020) developed for the staircase of Kunsthaus Graz among four sound artists. The pieces often expand beyond the sound domain to include other digital and physical media, such as Configuration (2015) with a video triptych, light and scent, Writing simultan (2020) with glass tables, Petri-dishes, graphite and light, or Swap Rogues (2022), an ensemble of mixed media entities.

Rutz is also the author of various computer programs for sound transformation and algorithmic composition, including open source software FScape (2002–), Wolkenpumpe (2005–), and Mellite (2010–).

Research Profile

Using the double term Sound and Intermedia, Rutz investigates contemporary artistic practices in which sound, as an aesthetic and epistemic medium, enters into a critical relationship with other analogue and digital media, opening up interfaces with technological and social contexts. The focus is on foregrounding processes, seeking new terms, and aiming for novel fusions of heterogeneous practices. As an area within artistic research, Sound and Intermedia refers to the generation and transformation of knowledge from practice “through sound” and in interdisciplinary discourse. Two particular scenarios aid in the study of processes: interfacing of humans and machines, and interfacing humans with humans, leading to interests in computational and algorithmic experimentation, as well as in collaborative experimentation. Sound plays a particular role here due to its affinities with language, voice, writing, as well as its spatial affordances.

Selected Research Projects

Simultaneous Arrivals (simularr). Duration: 2022–2025. Funding: FWF Programme for Arts-based Research (PEEK), AR 714-G. Website: https://www.simularr.net. The project posits a novel mode of collaborative artistic process based on simultaneity and spatiality, which are taken as ‘basic’ or ‘boundary’ concepts that complementarily guide artists working together, preserving diversity and individuality among the group, while binding the process as a whole and bridging boundaries between different practices. The project designs methods that facilitate contact among the concurrent artistic processes and aid understanding how these concepts affect them. What are reference frames that allow to establish a “togetherness, at the same time”, and how do different types of spaces—thought spaces, aesthetic spaces, architectural spaces—and their corresponding modes of spatiality interact and interfere?

Algorithms that Matter (Almat). Duration: 2017–2021. Funding: FWF Programme for Arts-based Research (PEEK), AR 403-GBL. Website: http://almat.iem.at. Registering a contemporary change in algorithmic culture and algorithmic approaches in sound art and computer music in comparison to historical antecedents, and flanked by the proliferation of algorithms in everyday life along with new positions on algorithmic thinking (e.g. Luciana Parisi) and new discourses on material culture (New Materialism), the project sought to develop a notion and repertoire of algorithmic experimentation in which code and computational strategies become agents that co-determine along with the artists-researchers what the boundaries between an artistic “device” and the object produced through this device are. The project researched the retroaction of this agency on our notion and praxis of composition and performance.

Bibliography

Via ORCID: https://orcid.org/0000-0003-4554-3570