Artistic Research

Die junge Disziplin der mit dem englischen Begriff bezeichneten Artistic Research (AR) versteht sich als Forschung in den Künsten und durch die Künste. In der kontinentaleuropäischen Tradition bezeichnet AR sowohl eine besondere Charakteristik forschender künstlerischer Praktiken als auch die damit einhergehende Institutionalisierung, insbesondere in Zusammenhang mit der Einführung universitärer Programme des Dritten Zyklus, der Etablierung disziplinübergreifender Interessenverbände, dezidierter Periodika und eigenständiger Institutionen. Im Zentrum der AR stehen Kunstschaffende als involvierte Forschende, deren Praxis zentraler Teil der Methode ist. Diese zielt darauf ab, den künstlerischen Prozess zum eigentlichen Gegenstand zu nehmen, worin Aufführen, Komponieren, Gegenstände herstellen, Ausstellen, Intervenieren usw. als Vehikel zur Generierung neuen Wissens und neuer Erkenntnisse fungieren. Diese Tätigkeiten sind nicht isolierter Beobachtungsgegenstand der Forschung, sondern werden in ihrer Performativität und Wirkmächtigkeit (agency) als konstituierend für den Forschungsvorgang verstanden. Das erfordert eine Sicht- und Hörbarmachung oftmals nicht-propositionalen Wissens – als Ergänzung von klar verbalisierbarem „wissen, dass“ durch ästhetisches und handlungsorientiertes „wissen, wie“ – durch vielschichtige sich gegenseitig ergänzende Dokumentationsformen, die nichtsdestotrotz kritische Textproduktion als wichtigen Teil integriert. Die Arbeit in der AR geht darüber hinaus systematisch vor und zielt darauf ab, mit den Kunstschaffenden verwobenes Wissen und Erfahrungen auf eine intersubjektiv nachvollziehbare Ebene zu bringen. Dazu sichert sie sich durch Einsatz, Abstimmung und Verbindung vielfältiger Methoden und Techniken ab, die je nach Nähe zur spezifischen Forschungsfrage aus anderen Disziplinen wie den Geistes- und Sozialwissenschaften hinzugezogen werden. Das bedeutet auch, dass innerhalb der GMPU die künstlerische Forschung in engem Austausch mit der wissenschaftlichen Forschung steht. Oftmals ist das Experiment zentraler Methodenbestandteil. Die AR ist dadurch interdisziplinär angelegt und versucht, Brücken zwischen dem künstlerischen Schaffen und anderen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskursen herzustellen.

Im an der GMPU geplanten und sich derzeit im Akkreditierungsprozess befindenden künstlerischen Doktoratsstudium (PhD in the Arts) wird Artistic Research in drei Forschungsschwerpunkten betrieben: 1. Musikalische Aufführungskunst (künstlerische Forschung durch die Instrumentalpraxis / Erforschung der Performance) 2. Komposition (künstlerische Forschung durch die Kompositionspraxis) 3. Klang und Intermedia (künstlerische Praktiken wie Klang- und Installationskunst, Computermusik u.a., die in Beziehung zu physischen und digitalen Medien und in erweiterten Aufführungs- und Ausstellungskontexten neue Zwischenräume ausloten)

Diese drei Schwerpunkte verbinden sich in einem diversen und komplementären Spektrum an Forschungsansätzen, Inhalten und Methoden, welche ein breites und interdisziplinäres Umfeld für die prospektiven Doktorand*innen bilden sollen. Über ein gemeinsames Forschungsverständnis unterstützen und fördern sich diese Bereiche, sodass Brücken innerhalb von Doktorats- und Forschungsprojekten gebaut werden. Dies geschieht über gemeinsame Konzepte und Schnittstellen.

Die Kontaktfläche zwischen Musikalischer Aufführungskunst und Komposition wird im Wesentlichen durch die Zusammenarbeit von Interpret*innen und Komponist*innen gebildet. Mögliche Forschungsthemen beinhalten innovative Kollaborationsmodelle, z.B. unter Einbeziehung neuer Probenstrategien oder zur Schaffung neuen Repertoires unter Einbeziehung von Instrumentenbau. Auch Doppelrollen wie Composer-Performer sind denkbar. Komposition kann mit Klang und Intermedia etwa über das Technologische zusammenkommen, beispielsweise in Form von algorithmischer oder computergestützter Komposition oder die algorithmische Modellierung oder Simulation menschlicher Kompositionsprozesse; es kann auch um neue und erweiterte Ästhetiken gehen, in denen z.B. die kompositorischen Potenziale von Klangobjekten untersucht werden oder das Komponieren auf auditive Kulturen eingeht; und Komposition kann für spezifische und ungewöhnliche Orte oder in hybriden Formaten wie Konzertinstallationen untersucht werden. Klang und Intermedia schafft Verbindungen zur Musikalischen Aufführungskunst etwa in den Bereichen der Live-Elektronik, der Performance-Ökosysteme oder über hybride physisch-digitale oder erweiterte Instrumente; auch hier kann es wieder um ungewöhnliche und außermusikalisch kontextualisierte Aufführungsräume gehen oder das Zusammenspiel musikalischer und nicht-intentionaler Klänge.

Die künstlerische Forschung betten sich in das gesamtuniversitäre Forschungsumfeld ein und erlauben ebenso inhaltliche Anknüpfungspunkte zu den wissenschaftlichen Forschungen in den Bereichen Ethnomusikologie und Angewandte Musikwissenschaft.